Angebote bankfremder Finanzdienstleister rücken zunehmend in den Fokus der Bundesbürger. Dies trifft umso mehr zu, je jünger und gebildeter sie sind. Das ist eines der Kernergebnisse der bevölkerungsrepräsentativen Studie „FinWeb Barometer – Digitales Banking 2017“, die das Frankfurter Finanzberatungsunternehmen Cofinpro zum dritten Mal in Folge durchgeführt hat. Hierfür wurden 2.000 Bundesbürger im Juli 2017 dazu befragt, worauf sie bei ihren Finanzgeschäften Wert legen, wie sie sich die Bank der Zukunft vorstellen und wie offen sie für Angebote von Nicht-Banken sind.

Offenheit vor allem gegenüber neuen Wegen im Zahlungsverkehr

So genannte FinTechs sind weltweit und auch in Deutschland auf dem Vormarsch: Rund 550 Unternehmen gibt es allein hierzulande, dazu zählen neben kleinen Startups auch große Player wie etwa Paypal oder Amazon Pay. An der Mehrzahl der Deutschen rauscht dieser Trend allerdings vorbei – rund drei von vier Bundesbürgern haben einer aktuellen Erhebung zufolge noch nie von ihnen gehört, nur sechs von 100 können erläutern, was sich hinter diesem Begriff verbirgt. Dennoch geben sie sich überwiegend aufgeschlossen gegenüber neuen Wegen, ihre Geldgeschäfte nicht über eine Bank, sondern über einen bankfremden Anbieter wie etwa Paypal abzuwickeln. Laut FinWeb Barometer erklären sich 87 Prozent der Bundesbürger dazu bereit. Etwas zurückhaltender geben sie sich in den Bereichen Kredit und Geldanlage: In diesen beiden Segmenten würden sich zwei von drei Befragten auf andere Anbieter als die traditionellen Institute einlassen. Rund 27 Prozent der Befragten wären zudem bereit, mehr als 1.000 Euro bei solchen Anbietern anzulegen, 34 Prozent würden bei ihnen ein Darlehen über mindestens 1.000 Euro aufnehmen.

Evolutionäre statt revolutionäre Entwicklung

Im Vergleich zum Vorjahr zeichnet sich Cofinpro zufolge beim FinWeb Barometer ein leichter Anstieg des Gesamtwerts, der innerhalb einer Skala von 0 (dem klassischen Banking sehr verhaftet) bis 100 (vollkommen offen gegenüber neuen Anbietern) ab: So lag die Punktzahl 2015 bei 44,5 Punkten, im vergangenen Jahr waren es 44,6 Punkte. Demgegenüber fiel der Anstieg der Gesamtpunktzahl auf 45,9 Punkte in 2017 deutlicher aus als im Vorjahr. Cofinpro wertet diese Entwicklung als „evolutionär“, von einer Revolution könne angesichts des zwar stetigen, aber verhaltenen Anstiegs hingegen keine Rede sein.

Akademiker besonders aufgeschlossen

Das Beratungsunternehmen führt diesen langsamen Anstieg auf den mit 68 Prozent hohen Anteil von Nicht-Akademikern an den Umfrageteilnehmern zurück. So habe sich bereits in den Vorjahren und insbesondere in der aktuellen Befragung gezeigt, dass Bundesbürger mit Hochschulabschluss deutlich aufgeschlossener gegenüber bankfremden Anbietern sind: Aktuell trifft dies auf 71 Prozent dieser Befragten zu, unter den Nicht-Akademikern liegt die Quote bei 60 Prozent. Zudem zeigen die Akademiker mehr Vertrauen in neue Anbieter: Dies zeigt sich laut Studie darin, dass 35 Prozent von ihnen solchen Unternehmen auch Beträge über 1.000 Euro anvertrauen würden. Zum Vergleich: Bei Nicht-Akademikern beträgt der Anteil 24 Prozent. Generell ist Cofinpro zufolge ein Anstieg der Bereitschaft, mehr als 10.000 Euro bei bankfremden Anbietern anzulegen, festzustellen: Hierzu waren 2016 lediglich drei Prozent der Befragten bereit, in der aktuellen Umfrage verdoppelte sich die Quote auf sechs Prozent.

Offenheit für Geldanlage bei Nicht-Banken: Junge Befragte führen

Einen deutlichen Trend pro Nicht-Banken sieht Cofinpro aufgrund der Studienergebnisse auch bei den jüngeren Befragten: Lediglich 28 Prozent der 18- bis 34-Jährigen würden digitale Anbieter nicht für ihre Geldanlage in Betracht ziehen, bei den 50- bis 65-Jährigen beträgt der Anteil der Skeptiker hingegen 46 Prozent. Cofinpro zufolge weisen die Umfrageergebnisse auf die Notwendigkeit für die Banken hin, sich an die Gegebenheiten der digitalen Welt anzupassen, wenn sie die junge Zielgruppe halten wollen. Gleiches gilt für die Akademiker, die zudem zu den einkommensstarken und damit attraktiven Kunden zählen. Vielfach haben Banken daher bereits die erste Stufe der Digitalisierung durchlaufen, zunehmend binden sie beispielsweise Angebote von FinTechs in ihren Web-Auftritt ein. So arbeitet beispielsweise die Direktbank ING-DiBa mit der digitalen Vermögensverwaltung Scalable Capital zusammen. Andere Banken wiederum gründen eigene FinTechs.

PSD2 verstärkt Konkurrenz zwischen Banken und anderen Anbietern

Einen weiteren Schub zugunsten der FinTechs erwartet Cofinpro im Rahmen der Einführung der Europäischen Zahlungsdienstrichtlinie PSD2 in Januar 2018. Sie ermöglicht Banken, FinTechs und bankfremden Drittanbietern künftig den Zugriff auf die Kunden- und Kontodaten einer Bank, was die Konkurrenz unter Banken, Händlern, Internet- und IT-Konzernen sowie FinTechs steigern dürfte. Aufgrund dieses Sachverhalts wurde in der aktuellen Cofinpro-Umfrage unter anderem die Treue zur Hausbank abgefragt. Das Ergebnis: 71 Prozent der Befragten wären im Bereich Sparen offen für einen Wechsel weg von der Hausbank, hinsichtlich ihres Kontos bejahen dies 66 Prozent. Bei der Geldanlage wären 65 Prozent der Befragten zu einem Wechsel bereit. In puncto Kreditaufnahme gab rund die Hälfte der Befragten an, für Angebote der Konkurrenz offen zu sein.

Cofinpro leitet aus diesen Umfragewerten ab, dass die Banken insbesondere im Rahmen der Umsetzung der PSD2-Richtlinie der Europäischen Union (EU) stärker als bisher darauf abzielen müssen, die Kundenwünsche zu berücksichtigen. Zudem müssten die Institute ihre Angebote stärker als bisher kommunizieren, um sich erfolgreich gegen die Konkurrenz zu behaupten. Dabei empfiehlt das Beratungsunternehmen, dass die Banken und ihre Marke als solche auch erkennbar bleiben sollten. Die Begründung: Immer weniger Kunden würden eine Notwendigkeit darin sehen, einen Kredit bei einer Bank aufzunehmen, weil sie zunehmend Vergleichsportale nutzen – vielfach sei ihnen jedoch nicht bewusst, dass sie letztlich ein klassisches Bankdarlehen erhalten. Hier sehen die Berater einen Anknüpfungspunkt für die Banken, um sich beim Kunden stärker als bisher zu positionieren und stärker als aktuell als notwendig wahrgenommen zu werden. Laut Umfrage liegt der Anteil derer, die hierfür eine Bank als erforderlich halten, je nach Kreditsparte bei 14 bis 22 Prozent. Bei der Geldanlage bewegen sich die Quoten in ähnlicher Größenordnung: Je nach Anlageprodukt sehen 13 bis 21 Prozent der Befragten eine Bank als erforderlich.

Jeder Zweite hält Banken beim Zahlungsverkehr für unverzichtbar

Danach gefragt, inwieweit eine Bank für Kredite, Geldanlage und den Zahlungsverkehr benötigt wird, liegen die Banken bei Überweisungen und Kontoführung hingegen ganz klar vorn: Rund jeder zweite Befragte ist der Meinung, dass dafür unbedingt eine Bank vonnöten ist. Hier sehen die Cofinpro-Experten gute Chancen für die Banken hinsichtlich der Kundenansprache. Denn über das Konto ergeben sich viele Anknüpfungspunkte für weitere Geschäfte, etwa in puncto Kreditvergabe oder Kapitalanlage. Generell empfehlen sie Banken, sich stärker als bisher auf die Wünsche der Kunden zu fokussieren und die eigenen Leistungen sowie die Vorteile stärker zu betonen.

Banken müssen Prioritäten der Kunden stärker als bisher beachten

Banken, denen es gelinge, traditionelle Bankenwerte mit den Vorteilen der digitalen Welt kombiniert zu vermitteln, seien für die Zukunft gut gerüstet, um die vermögenden Kunden von morgen an sich zu binden. Dabei gelte es, die Prioritäten der Kunden zu berücksichtigen: Dies sind wie in den Vorjahren vor allem die Kriterien sicher, kostengünstig und einfach – diese Stichworte wurden mit Abstand am häufigsten bei der Frage genannt, was für die Abwicklung der Bankgeschäfte am wichtigsten sei.

Zunehmend legen alle Altersgruppen – allen voran die Jüngeren – darüber hinaus auch auf Schnelligkeit Wert, wie Cofinpro mitteilt. Gegenüber 2016 zeichne sich hingegen ein abnehmendes Bedürfnis nach Betreuung durch einen persönlichen Kundenberater ab. So ging der Anteil unter den 18- bis 34-Jährigen, die sich einen solchen Berater im Bereich Geldanlage wünschen, gegenüber 2016 um acht Prozentpunkte auf 26 Prozent zurück. Ähnliche Ergebnisse liefert die Umfrage Cofinpro zufolge im Bereich Kredit.

 

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