An der Digitalisierung führt für Banken kein Weg vorbei, wenn sie sich auf Dauer erfolgreich gegen die wachsende Konkurrenz im Finanzdienstleistungsgeschäft behaupten wollen. Doch bei der Umsetzung werden die meisten Banken von ihrer Organisationsstruktur ausgebremst, die häufig in überholtem Denken und nicht zeitgemäßen Strukturen gefangen ist – und dass trotz der Herausforderungen, die sich unter anderem im Zusammenhang mit der erweiterten EU-Zahlungsdienstrichtlinie PSD2 ergeben. Das ist eines der wesentlichen Ergebnisse einer aktuellen Umfrage der Unternehmensberatung Cofinpro unter 138 IT- und Bankexperten. Die Studie „PSD2 – Strategische Konsequenzen“ wurde von dem auf Finanzdienstleister spezialisierten Unternehmen gemeinsam mit dem IT Finanzmagazin durchgeführt, Untersuchungsgegenstand waren die möglichen Auswirkungen der PSD2 auf die Geschäftsmodelle der Banken.

Das Fatale an einer zögerlichen Umsetzung von Digitalisierungsprojekten: Nach Einschätzung von Cofinpro verlieren Banken wertvolle Zeit. Angesichts der im Januar 2018 in Kraft tretenden EU-Richtlinie und drohender neuer Wettbewerber müssten sie alles daransetzen, sich den Gepflogenheiten der digitalen Welt anzupassen – und dies erfordert schnelles Handeln, wenn die Banken ihre starke Stellung auch in Zukunft behaupten wollen, betonen die Cofinpro-Experten.

Bewusstsein für die Herausforderung PSD2 ist vorhanden

Immerhin: Wie die Umfrageergebnisse zeigen, ist ein Bewusstsein für die Herausforderungen vorhanden, die mit der PSD2 einhergehen. So meinen zwar zwei Drittel der Studienteilnehmer, dass die Richtlinie die traditionellen Geschäftsmodelle infrage stellen wird. Auch sagen 87 Prozent der Befragten, dass sie große Auswirkungen auf das Geschäft der klassischen Banken haben wird. Zudem sind 85 Prozent der Umfrageteilnehmer der Ansicht, dass den Banken im Zuge von PSD2 Konkurrenz durch Internetunternehmen erwächst. Mit 79 und je 78 Prozent erreichen sonstige Konkurrenten wie Visa und Paypal sowie Online-Händler und Fintechs ähnlich hohe Umfragewerte. Insgesamt meinen neun von zehn befragten Experten, dass Banken strategisch auf PSD2 reagieren und mehr tun sollten, als das Gesetz mit minimalem Aufwand umzusetzen. Zudem sehen insgesamt zwei Drittel der Befragten große bis sehr große Gefahren darin, dass die Banken im Zuge von PSD2 den direkten Zugang zum Kunden verlieren. Und ebenfalls zwei von drei Teilnehmern meinen, dass die Bedeutung des bisher genutzten Kontos künftig sinken wird, weil die Kunden mehr Konten nutzen werden und die Einrichtung über Apps mittlerweile nur noch Minuten in Anspruch nimmt und so einfach wie das Anlegen einer E-Mail-Adresse geworden ist. Allerdings beantworteten auch 46 Prozent der Befragten die Frage, ob die Banken Bedrohungen und Chancen erkannt haben, die von PSD2 ausgehen, mit „eher nein“, acht Prozent von ihnen sagen sogar „nein“.

Unflexible Prozesse bremsen Banken bei der Digitalisierung aus

Doch wo hakt es konkret bei der Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen? Um dies herauszufinden, wurden die Teilnehmer nach den verschiedenen Gründen befragt, bis zu fünf Gründe konnten angekreuzt werden. Mit jeweils 74 Prozent am häufigsten wurden unflexible Prozesse und nicht-agile Organisationen als Grund mit Abstand am häufigsten genannt. Auch kurzfristiges Denken, regulatorische Vorgaben und fehlendes Fachwissen wurden als Hindernisse bezeichnet, mit 45, 44 und 43 Prozent sind die Umfragewerte jedoch deutlich niedriger. Fehlende Kapazitäten haben 42 Prozent der Befragten als einen der Gründe genannt, technische Komplexität erreichte mit 41 Prozent einen ähnlich hohen Wert. Es folgen mit größerem Abstand hohe Kosten (34 Prozent), Datenschutz (21 Prozent) und fehlende Standards (20 Prozent). Fehlende geeignete Partner nannten nur sieben Prozent der Befragten als Grund für die schleppende Umsetzung von Digitalisierungsprojekten.

Die Folge: Nachdem die Regulatorik über Jahre einen Großteil der Kapazitäten von Banken in Beschlag genommen hatte, stünden mittlerweile genug Mittel für Digitalisierungsprojekte zur Verfügung, doch die Fortschritte seien im Verhältnis zum eingesetzten Budget zu gering, kritisiert Valentino Pola, Digitalisierungsexperte bei Cofinpro und verweist auf die Studienergebnisse. So seien Wissen und Kapazitäten zwar vorhanden, doch es mangele an der Fähigkeit zu Veränderungen, da die bürokratischen Prozesse jegliche Flexibilität verhinderten, ergänzt er.

Digitalisierung muss über die erste Stufe hinausgehen

Zwar hätten die Banken die erste Stufe der Digitalisierung abgeschlossen und dabei unter anderem Startups oder eigene Plattformen gegründet und mit Fintechs kooperiert. Nun gehe es darum, die nächste Stufe der Digitalisierung zu erreichen. Hierfür ist Pola zufolge ein kritisches Hinterfragen der eigenen Organisation erforderlich. So müssten die Banken nun die Erkenntnisse aus den abgeschlossenen überschaubaren Digitalisierungsprojekten auf die Gesamtorganisation übertragen werden, um sich für die Herausforderungen der Zukunft zu wappnen, heißt es von Cofinpro. Dabei sollten nicht nur die IT- und die jeweiligen Projektabteilungen einbezogen werden, sondern auch die eigenen Geschäftsmodelle, Prozesse und Systeme – etwa zur Führung, Entscheidung oder Personalentwicklung – zu hinterfragen. „Interne Prozesse, Unternehmenskultur und Paradigmen gehören auf den Prüfstand“, fasst Pola zusammen.

Trend zu vermehrten Kooperationen erkennbar

Wie die Umfrageergebnisse zeigen, lässt sich ein deutlicher Trend feststellen: So ist zu erwarten, dass viele Institute aufgrund der PSD2 zunehmend mit Partnern kooperieren werden. 93 Prozent der Befragten gaben bei dieser Aussage „ja“ oder „eher ja“ an, 77 Prozent meinen dies zu der Aussage, dass Banken sich häufiger an bereits am Markt tätigen Anbietern beteiligen oder diese übernehmen werden. Die Bereitschaft, eigene Expertise aufzubauen, ist vergleichsweise gering: So stimmen 53 Prozent der Teilnehmer dieser Aussage mit mindestens „eher ja“ zu.

Banken müssen sich mit diversen Fragestellungen auseinandersetzen

Den einen Königsweg für die Positionierung gibt es für die Banken nach Einschätzung von Cofinpro allerdings nicht: So müsse jedes Institut im Zuge der Weichenstellung für die Zukunft unter Berücksichtigung der PSD2 stellen und beispielsweise Überlegungen anstellen, mit welchen Produkten und Dienstleistungen sie in welchen Feldern welche Kunden erreichen wollen. Auch müssten sie sich mit der Frage auseinandersetzen, ob sie sich weiterhin ausschließlich als Produktschmieden sehen oder ihre Infrastruktur weitgehend Dritten zur Verfügung stellen.

Zudem müssen die Institute laut Cofinpro Überlegungen dazu anstellen, ob sie ihre Produkte selbst oder über andere Kanäle vertreiben wollen. Dabei bejahten 43 Prozent die Aussage, dass Banken weiterhin viele Produkte entwickeln, diese aber durch Dritte vertreiben lassen. 72 Prozent stimmen der Aussage zu, dass Banken künftig mehr Leistungen anderer Dienstleister vertreiben werden. Zwei von drei Befragten meinen wiederum, dass Banken weiterhin in erster Linie auf eigene Produkte setzen und diese allein anbieten. Dass Banken anderen Dienstleistern zunehmen ihre Infrastruktur als Plattform anbieten werden, also Produktentwicklung und –vertrieb einschränken, wird von 60 Prozent der Befragten bejaht.

 

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