„Auch der digitale Kunde stößt bei Finanzthemen an seine Grenzen“, Interview mit Markus Gauder, Geschäftsführer der FinGOAL! GmbH

Redaktion (RD): Herr Gauder, inwiefern nutzen Sie in dem Prozessdesign für Banken und Sparkassen das Regelwerk der DIN-Norm (DIN 77230)?

Markus Gauder (MG): Uns geht es im ersten Schritt um einen effizienten Prozess, der dem Berater und dem Kunden ein neues Erlebnis verschafft – u.a. gemessen an dem Gesprächsergebnis in einem zuvor abgestimmten Zeitrahmen. Um das zu erreichen, braucht es Berechnungsgrundlagen bzw. Regeln, welcher Kunde welches Thema (und warum) vorgestellt bekommt und wie sich bspw. eine Lücke berechnet. Hierbei kann uns das DIN-Regelwerk wertvolle Dienste leisten.

RD: Inwiefern?

MG: In der Form, dass es unser Ziel ist, den bisherigen Beratungsprozess digital abzubilden und wir hierfür sehr gern die bisherigen Regelwerke übernehmen, die dem Vertrieb auch bekannt sind. Aber bei vielen Fragen – wie bspw. „Wie berechnen wir den richtigen Sollwert bzw. die Lücke bei Arbeitsunfähigkeit oder Pflege?“ – gibt es keine einheitliche bzw. etablierte Logik, sodass wir in den Fällen immer auf das DIN-Regelwerk verweisen. So nach dem Motto: „Wenn wir keine bessere Logik bzw. Regeln haben, nutzen wir diese.“.

Es gibt aber auch Banken, die sich im Jahr 2019 bewusst an der DIN 77230 orientieren möchten und deshalb auch gern neue Wege gehen. Auch diese Banken sind bei uns richtig. Wir bieten beides an – im Selbstverständnis eines kundenorientieren Dienstleisters.

RD: Wenn diese Prozesse von der Dateneingabe bis zur Finanzanalyse umgesetzt sind, könnten die Kunden sich doch auch gleich selbst beraten – als Art „Robo-Tool“ für die ganzheitliche Analyse?

MG: Das ist in der Tat so und deshalb entwickeln wir auch für zahlreiche Finanzdienstleister solche „Selbstberatungsstrecken“. Aber wir glauben daran, dass die nächsten Jahre maximal 10% der Kunden dies auch fallabschließend tun werden. Vor dem Hintergrund dient unser „FinGOAL! TO GO“ eher der Zuarbeit der Kunden (in einem Onlineprozess) im Vorfeld eines Beratungstermins. Das liegt daran, dass digitalaffine Kunden nicht zwingend finanzaffine Kunden sind, die sich – nach eigenem Dafürhalten – gut auskennen und gerne bzw. mit gutem Gefühl selbst entscheiden. Das ist wohl eher die Minderheit, auf die das zutrifft. Das liegt u.a. auch daran, dass die Themen rund um „Zahlungsverkehr“, „Absicherung“ und „Altersvorsorge“ (sowohl bei der Bedarfsermittlung als auch bzgl. der Produktlösungen) komplex sind und somit erklärungsbedürftig. Das ist eine gute Nachricht für alle Banken, die sich heute und morgen als Finanzexperten verstehen und diesen interessierten Kunden qualifizierte bzw. auch motivierte Mitarbeiter an die Seite stellen.

RD: Wie schätzen Sie die Quote der Banken ein, die sich komplett an der DIN 77230 orientieren?

MG: Das ist schwer vorherzusagen. Aktuell glaube ich eher an die Minderheit, die sich dieser Komplexität stellen wird. Die DIN hat in der finalen Version eine große Themenvielfalt gepaart mit komplexen Berechnungsregeln, die darüber hinaus auch die Handschrift der Versicherer trägt. Dabei sehen wir regelmäßig die Gefahr, dass wir die „normalen Privatkunden“ vollversichert in die Altersarmut schicken. Und deshalb sind wir auch offen, diese Komplexität zu reduzieren.

RD: Heißt konkret?

MG: Wir beobachten diese Entwicklung sehr genau und sind – auch wenn wir im Ausschuss mit von der Partie waren – kritischer Beobachter, der den Anspruch hat, einen pragmatischen und flächendeckenden Ansatz zu etablieren. Deshalb könnten wir uns durchaus vorstellen, dass wir künftig über einen eigenen Unternehmensstandard auf Basis der DIN 77230 nachdenken. Ein guter Prozess ist immer der, der eine hohe Akzeptanz hat, sonst kann man auch nicht von einem Branchenstandard sprechen. Dazu kommt, dass der Markt am Ende immer Recht hat – das gilt für Kunden und Finanzdienstleister gleichermaßen.

RD: Vielen Dank für das Gespräch.

 

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Und auch:

Interview mit Kai Fürderer und Markus Gauder zum Thema „DIN-Standard“ für Finanzdienstleister

 

Fotoquelle: FinGOAL GmbH